… Die Wirklichkeit des Inneren wird von ihm primär anhand der Verwendungsweise der psychologischen Ausdrücke analysiert – mit der Absicht, über eine „Grammatik des Seelischen“ Einsichten in die Struktur unseres Inneren und seines Verhältnisses zum Äußeren zu gewinnen. Darüber hinaus geht Wittgenstein von einer quasi ontologischen Voraussetzung aus. Nämlich davon, daß es sich bei den „Tatsachen“ und „Zuständen“ des Inneren und Äußeren um zwei Wirklichkeitsbereiche handelt, die im Status ihrer Realität ebenso wie in ihrer Phänomenalität und Begrifflichkeit eine eigenständige Wirklichkeit haben und in ihrer „Logik“ unterschieden sind, also nicht aufeinander zurückgeführt werden können. …
Aus: „Wittgensteins interner Dualismus von Innen und Außen – „Letzte Schriften über die Philosophie der Psychologie““ Autor: Wilhelm Lütterfelds, Erschienen in: WITTGENSTEIN STUDIES, Diskette 1/1995
=> http://sammelpunkt.philo.at:8080/434/1/07-1-95.TXT
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… Wenn wir verstehen, was es heißt, daß es Kriterien für die Identität eines Zustands gibt, dann sehen wir, daß die Fähigkeit, einen bestimmten Zustand zu identifizieren, nicht von der Fähigkeit getrennt werden kann, um die Existenz dieses Zustands zu wissen. … die Fähigkeit, Wissen von den inneren Zuständen anderer Subjekte zu haben, stellt sich als die Fähigkeit heraus, eine bestimmte Haltung dem anderen gegenüber einzunehmen: die Haltung des Antwortens. … Der Skeptiker entdeckt in der Tat eine Wahrheit über unsere Urteile, eine Wahrheit indes, die der Skeptiker nicht verstehen kann. …
Aus: „Wissen im Normalfall – Wittgenstein über Kriterien für innere Zustände“
Von Andrea Kern (Datum 200?, Gesellschaft für Analytische Philosophie e.V.)
=> http://www.gap-im-netz.de/gap4Konf/Proceedings4/pdf/6%20EK06%20Kern.pdf
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… In der Geschichte der Philosophie sind es die späten Schriften Ludwig Wittgensteins, die einstehen für eine Kritik der philosophischen Innerlichkeit. »Eine der philosophisch gefährlichsten Ideen ist, merkwürdigerweise, daß wir mit dem Kopf, oder im Kopf denken.«
Zu bestreiten, wie Wittgenstein es tut, daß wir im Kopf denken, bedeutet zwar durchaus nicht, vom Gegenteil, also davon, daß unsere Gedanken außerhalb unseres Kopfes gedacht werden, überzeugt zu sein. Es heißt jedoch, eine scheinbare Selbstverständlichkeit (daß unsere Gedanken im Kopf sind) abzuweisen, um hiermit die Wege einer psychologischen Erkenntnistheorie als Irrwege zu kennzeichnen und zu verbauen. Wittgensteins Innerlichkeitskritik, die keineswegs als absurd abzutun ist, impliziert eine Kritik der psychologisch argumentierenden und theoretisierenden Philosophie. Wittgensteins Spätphilosophie steht für eine radikale Problematisierung der psychologischen Innenwelt …. Das Paradigma der Innerlichkeit gänzlich hinter sich zu lassen, widerstrebt [Heimito von Doderer >> Dämonen] nicht zuletzt aufgrund eines antikollektivistischen Affektes, der sich in einem grundsätzlichen Mißtrauen gegenüber der Öffentlichkeit ausspricht. Doderer wäre nicht der konservative Schriftsteller, als der er sich verstanden hat, würde nicht sein Auszug aus dem Innenleben des Individuums mit einem gleichzeitig emphatischen Bekenntnis zur Macht des Individuums – und gegen die gemeine Masse – gepaart. Eine Doderer hier immer wieder helfende Referenz besteht im (mehrfach zitierten) Wort Paul Valérys, »es gäbe nichts billigeres und gemeineres, als im Gespräche mit sich selbst Argumente zu gebrauchen, die man auch anderen gegenüber anwenden würde« .
Aus: „Das Werden der Vergangenheit – IV. Innerlichkeit als motivisches Restparadigma in den Dämonen“
Von Kai Luehrs-Kaiser, Datum (1999)
=> http://webdoc.sub.gwdg.de/ebook/diss/2003/fu-berlin/2001/238/Luehrs-2-4.pdf
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… Das, was als die Seele oder das Innere eines Menschen angesprochen wird, ist erst durch [ein] Sprachspiel konstituiert worden und unabhängig davon gar nicht erfassbar [=> http://de.wikipedia.org/wiki/Sprachspiel]. Wir haben deshalb keinen unmittelbaren, naturwissenschaftlichen Zugriff auf dieses „Phänomen“, der uns der damit zusammenhängenden Ungewissheiten entledigen könnte, denn für das, was wir das „Seelenleben“ oder „Innenleben“ der Menschen nennen, ist die Ungewissheit über seinen Inhalt wesentlich. Die „Logik“ oder „Grammatik“ des Seelischen ist bestimmt von dem „Fehlen exakter Regeln der Evidenz“. Nur das gilt uns als Seele oder menschliches Innenleben, von dem wir eben gewöhnlich sagen: „Wir können uns immer irren; wir können nie sicher sein; was wir beobachten, kann immer noch Verstellung sein“. Darum kann die „Unmöglichkeit zu wissen, was im Anderen vorgeht“ auch eine „logische“ sein: wüssten wir es regelmäßig und mit Sicherheit, wir bezeichneten es nicht mehr als etwas, was „in ihm vorgeht“; gäbe es „exakte Regeln der Evidenz“, also Regeln, die einen zweifelsfreien Schluss von den Äußerungen und vom Benehmen auf die Einstellungen, Überzeugungen, Gefühle und so weiter eines Menschen ermöglichten, das ganze Sprachspiel rund um die Seele wäre wohl nie erfunden worden. Das Innere muss also auch dunkel bleiben, um nicht zerstört zu werden. … Nun dürfen aber Wittgensteins Aussagen über die physische und die logische Unmöglichkeit eines Blickes ins Innere des Menschen nicht als Beitrag zur Metaphysik der Seele missverstanden werden. Er spricht nicht von Eigenschaften der Seele, sondern von Eigenschaften des Sprachspiels über die Seele; er behauptet nicht, die Seele sei letztlich unerforschlich, sondern dass „unser Sprachspiel (…) auf unwägbarer Evidenz` beruht“. … Damit ist die Frage, was es mit diesem Innenleben, mit dem Inneren des „Ausdrucks“ nun auf sich hat, noch nicht beantwortet. Wir wissen nur, dass es weder offensichtlich noch unerkennbar ist: Was ist es aber wirklich? Oder, anders formuliert: Was ist die Seele?
Wittgenstein gibt darauf eine überraschende Antwort: Die Seele ist nur ein Bild. Sie ist ein Bild, das wir uns vom Menschen machen, weil das menschliche Benehmen nicht wie der Lauf einer Maschine vorhergesagt werden kann. Für diese Unsicherheit über das Verhalten der anderen haben wir unzählige Redeweisen, neben den schon genannten, von Wittgenstein angeführten („Wir können uns immer irren; wir können nie sicher sein; was wir beobachten, kann immer noch Verstellung sein.“), fallen mir noch ein: „Ich kann in ihn nicht hineinschauen“, „Sie macht sowieso immer, was sie will“ oder „Ich habe ihn nie verstanden“.
Aus: „FREIHEIT DES AUSDRUCKS – Zwei sprachphilosophische Annäherungen an ein Menschenrecht“
Florian Oppitz (Wien 2002)
=> http://sammelpunkt.philo.at:8080/13/2/Ausdruck.html
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